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Mieterhöhung nach Mietspiegel
Richtige Baualtersklasse gewählt?
Mietspiegel unterscheiden typischerweise beim Ausweis von Mietwerten nach dem Baualter der fraglichen Wohnungen. Man spricht von „Baualtersklassen“. Regelmäßig umfassen sie einen Zeitraum von mehreren Jahren. Abgesehen von zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen der Wohnung, die dann zu Zuschlägen oder zu Abschlägen bei der Miete führen, wird durch die richtige Einordnung in die Baualtersklasse der Ausgangswert für die Berechnung der zulässigen Miete gewonnen.
Häufig stellt sich dieser Ausgangswert dann auch als Mietpreisspanne („von X Euro bis Y Euro“) dar. Was nun die Ermittlung und damit die Einordnung in die „richtige“ Baualtersklasse angeht, klingt das eigentlich zunächst ganz einfach. Die Praxis zeigt aber durchaus komplexere Fälle.
Umfassende Modernisierung oder Kernsanierung?
Viele Mietspiegel sehen vor, dass bei einer Kernsanierung des Gebäudes nicht das ursprüngliche Baujahr anzusetzen ist, sondern das Jahr der Kernsanierung. Handelt es sich nicht gleich um eine Kernsanierung, wohl aber um eine umfassende Modernisierung, bieten viele Mietspiegel einen Mischmaßstab an. Dann muss man zweimal rechnen; und zwar einmal nach dem Baujahr des Hauses und einmal nach dem Jahr der umfassenden Modernisierung. Einschlägig ist dann das arithmetische Mittel zwischen beiden gewonnenen Mietwerten.
Das führt zu der Frage, wann von einer „umfassenden Modernisierung“ oder von einer „Kernsanierung“ auszugehen ist. Hier kann der Mietspiegel Vorgaben machen, entweder in seiner Kommentierung oder in der dazugehörenden Dokumentation. Finden sich solche konkreten Angaben nicht, kann man auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurückgreifen. Er hat den Begriff der „umfassenden Modernisierung“ mittlerweile geklärt (BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 369/18):
- Das Investitionsvolumen muss mindestens 1/3 der Neubaukosten ohne Grundstücksanteil betragen. Es muss sich um reine Modernisierungskosten handeln. Erhaltungskosten sind (zeitanteilig oder je nach Alter oder eingetretenem Reparaturzustand auch völlig) heraus zu rechnen.
- Durch die Modernisierung muss ein Zustand erreicht werden, der einem Neubau entspricht. Kernsanierungen sollten deshalb auch die Bereiche „Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallation bzw. energetische Eigenschaften“ umfassen (BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 369/18, BeckRS 2020, 41058; LG Berlin, Urteil vom 13.12.2023 - 64 S 210/21, IMR 2024, 276; LG Berlin, Urteil vom 23.10.2018 - 63 S 293/17, juris; LG Berlin, Urteil vom 23.5.2019 - 65 S 25/18, juris).
- Von einer reinen Kernsanierung ist dagegen auszugehen, wenn die Sanierungskosten die Kosten eines Neubaus erreichen und insgesamt ein neuer Wohnraumzuschnitt geschaffen worden ist, der den aktuellen Wohnanforderungen an einem Neubau entspricht (LG Potsdam, Urteil vom 25.9.2015 - 13 S 26/14, ZMR 2016, 291). Dann soll es nur auf die jüngere Baualtersklasse ankommen (str. und anderer Ansicht: LG München I, Urteil vom 18.4.2012 - 14 S 16973/11, juris, wonach auch dann das Geburtsjahr anzusetzen sein soll, aber auf die Zuschläge für die neu und modern geschaffene Beschaffenheit und Ausstattung der Wohnung abgestellt werden darf).
Finanzielles Kriterium und Umfang der verlangten Baumaßnahmen sind bei der Beurteilung gleichgewichtig (so schon BGH, Beschluss vom 27. 5. 2020 - VIII ZR 73/19, WuM 2020, 651). Maßnahmen, die noch während des vorigen Mietverhältnisses durchgeführt wurden, bleiben unberücksichtigt (BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 369/18, IMR 2021, 94).
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Wiederaufbau kriegszerstörter Gebäude
Gleich soll nach Auffassung des AG Mönchengladbach-Rheydt (Urteil vom 1.7.2019 - 11 C 74/17, juris) zu entscheiden sein, wenn ein im Krieg (in seinen wesentlichen Teilen) zerstörtes Gebäude wieder aufgebaut wird. Dann soll es für die richtige Einordnung in die Baualtersklasse nicht auf das ursprüngliche Baujahr sondern auf das Jahr des Wiederaufbaus ankommen.
Erstmals geschaffene Wohnung
Umgekehrt bedeutet das, dass bei einer erst jetzt geschaffenen Wohnung aus vorhandenen Räumen mit bislang anderem Nutzungszweck keinerlei Überlegungen zur Einordnung der Baualtersklasse veranlasst sind; zumal dann, wenn damit kein Neubauzustand erreicht wird. Hier bleibt es beim Ansatz des „Geburtsjahrs“ (LG Berlin, Urteil vom 24. 6. 2020 - 65 S 149/19, juris - so entschieden für ein Mieterhöhungsverlangen nach erstmaliger Umwandlung von Gewerberäumen in Wohnräume).
Einordnung einer Wohnung in zwei verschiedenen Häusern mit unterschiedlichen Baujahren
Bisweilen kommt es vor, dass eine Wohnung sowohl im Haupthaus als auch in einem nachmalig errichteten Anbau liegt. Welche Baualtersklasse gilt dann, die jüngere oder die ältere? Wie ist es zum Beispiel zu entscheiden, wenn die Räume der vermieteten Wohnung sowohl im Haupthaus aus dem Jahre 1902 und auch in dem erst 1976 errichteten Anbau liegen?
Nach Auffassung des AG Frankfurt/Main (Urteil vom 2.5.2013 - 33 C 5347/12, WuM 2013, 423 = Info M2 1013, 430 mit kritischer Anmerkung von Börstinghaus = IMR 2013, 501, aber mit zustimmender Anmerkung von Federenko) soll es dann auf den Mittelwert zwischen beiden Baualtersklassen ankommen.
Nach der Gegenansicht des LG Berlin (Urteil vom 26.9.2013 - 67 S 40/13, juris) soll für beide entweder die niedrigere oder die höhere Baualtersklasse je nach den Vorgaben des Mietspiegels einschlägig sein, im Zweifel bei nicht eindeutiger oder fehlender Aussage des Mietspiegels die niedrigere Baualtersklasse.
Tatsächlich ist der Ansatz eines Mittelwerts sehr fraglich (so auch Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zu Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 558 BGB Rn. 80). Denn dies würde dem geschaffenen Verhältnis zwischen „alter“ und „neuer“ Wohnfläche im Einzelfall nicht gerecht. Die nähere Lektüre der Entscheidung des AG Frankfurt/Main zeigt auch, dass es um identische Flächenmaße im Altbau und im Neubau ging und dass die alten Flächen gemeinsam mit den geschaffenen neuen Flächen durchgehend renoviert wurden. Das hat der Vermieter zum Anlass genommen, einheitlich auf die jüngere Baualtersklasse abzustellen, was das AG Frankfurt „nach unten“ durch Ansatz eines Mittelwertes zwischen beiden Baualtersklassen korrigierte. Das Urteil ist also nur einzelfallbezogen zu verstehen - wie üblich in der Praxis. Eine generelle Leitlinie ist ihm nicht zu entnehmen.
Mit diesem Ansatz dürfte es am „wirklichkeitsnächsten“ und damit auch am haltbarsten sein, die Berücksichtigung der alten Baualtersklasse und der neuen Baualtersklasse bei den anzusetzenden Mietwerten nur im prozentualen Verhältnis der Flächen zueinander zu berücksichtigen. Der so ermittelte Ausgangswert ist dann Basis für den Ansatz der weiter betragsmäßig ausgewiesenen, bzw. die prozentualen Zuschläge und die prozentualen Abschläge eines Mietspiegels.
Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen