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Unbefugte Gebrauchsüberlassung: Kündigung?
„Wo denken Sie hin, ich hab doch nur Besuch!“
Ein geradezu klassisch anmutender Fall, bei dem man als Vermieter „gerne im Kreis geführt“ wird:
Mieter M nimmt eine oder mehrere Personen in seiner Wohnung auf. Die Personen haben einen eigenen Schlüssel, betreten und verlassen die Wohnung damit selbstständig, werden im Waschkeller beim Wäschewaschen angetroffen oder aber ohne Begleitung des Mieters zu wechselnden Tageszeiten im Haus. Die Nachbarn beschweren sich über Lärm oder schlicht darüber, dass man die verbrauchsabhängigen Betriebskosten nicht für die aufgenommenen Personen mittragen will. Sie konfrontieren ihren Mieter M mit dem Sachverhalt, monieren, dass sie über aufgenommene Personen nicht informiert worden sind, und weisen auf die Erlaubniswidrigkeit solchen Vorgehens hin. Entspannt lächelnd antwortet M: Aber das ist doch nur Besuch - ich bin eben beliebt und habe viele Freunde.
Fallbeispiel aus Hamburg
So auch geschehen im Fall des LG Hamburg (Beschluss vom 13.10.2023 - 311 S 25/23, IMR 2024, 279): Mieter M hat in seiner Wohnung über einen Zeitraum von mindestens 2 Monaten mehrere Personen aufgenommen. Vermieter V wusste davon nichts, hat insbesondere keine Zustimmung erteilt. V mahnt M schriftlich ab, weist auf die Rechtswidrigkeit dieses vertragswidrigen Verhaltens hin und fordert den unverzüglichen Auszug der unbekannten dritten Personen - erfolglos. Daraufhin kündigt V das Mietverhältnis fristlos und klagt auf Räumung.
Das LG Hamburg lässt die Klage durchgehen. Die fristlos erklärte Kündigung wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung der Wohnung sei wirksam (§§ 569, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 2 BGB); der Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB daher begründet. Fristlos kündigen könne ein Vermieter, dessen Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletze, dass er die Mietsache unbefugt einem Dritten überlassen und diese unbefugte Gebrauchsüberlassung trotz Abhilfefrist (§ 543 Abs. 3 Satz 1 BGB) nicht beende.
Definition: Gebrauchsüberlassung
So liege der Fall hier. Zunächst liege eine Gebrauchsüberlassung immer dann vor, wenn eine dritte Person aufgrund einer Vereinbarung mit dem Mieter ein selbstständiges Besitzrecht an der Wohnung erwerbe und er auf dieser Basis die Wohnung unter Ausschluss des Mieters gebrauchen dürfe (ebenso Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 540 BGB Rn. 20). Eine Gebrauchsüberlassung sei aber auch dann anzunehmen, wenn ein Mieter dritte Personen für längere Zeit mit dem vermittelten Recht in der Wohnung aufnehme, um die gesamte Wohnung neben oder zusammen mit dem Mieter zu nutzen (ebenso Siegmund, a. a. O., Rn. 27 mit weiteren Nachweisen). Bei einem Aufenthalt von 4 bis 6 Wochen sei zu vermuten, dass die Aufnahme des Dritten auf Dauer angelegt sei (Siegmund, a. a. O.). Die Würdigung der gehörten Zeugen habe diesen Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts ergeben (§ 286 Abs. 1 ZPO).
Zur Erläuterung
Das LG Hamburg hat als Berufungsinstanz die Aussagen innerhalb der vor dem Amtsgericht als Eingangsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme abweichend gewertet. Denn das Amtsgericht vermochte nicht festzustellen, dass der Mieter seine Wohnung an Dritte überlassen hat, weil die gehörten Zeugen insoweit keine eigenen Wahrnehmungen gehabt hätten und es ebenso denkbar sei, dass der Mieter regelmäßig Besuch von Freunden empfange (LG Hamburg, a. a. O., Rn. 6 der Entscheidungsgründe). Der beklagte Mieter hatte innerhalb seiner persönlichen Anhörung angegeben, dass er „genug Besuch“ habe und es sein könne, dass seine (internationalen) Freunde und Cousinen nur zum Kaffee kämen oder auch blieben, um in der Wohnung zu schlafen. Teilweise würde sein Besuch auch alleine in der Wohnung schlafen, weil er zu seinen kranken Eltern müsse. Einmal habe er einen alleinstehenden Freund für ein bis zwei Monate bei sich aufgenommen (Rn. 9 der Entscheidungsgründe). Das Gericht sah diese Einlassungen durch die übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen der als Zeuge gehörten glaubwürdigen Personen mit jeweils detailreichen und stimmigen Schilderungen widerlegt.
Aus der Entscheidung folgt
Das klassische Verteidigungsmuster - „aber was denn, ich hab doch nur Besuch, wenn auch reichlich oft“ - und im Übrigen mache ich sowieso was ich will - kann nur innerhalb der Beweiswürdigung durch entsprechende glaubhafte in sich stimmige Zeugenaussagen, abgegeben von glaubwürdigen Personen, widerlegt werden. Nur so ist es möglich die Annahme eines Besuchs, der selbstverständlich jedem Menschen zusteht, zu widerlegen.
Zur Abgrenzung
Bloßer Besucher ist, der den Mieter aufgrund besonderer persönlicher Beziehungen aufsucht, ohne hierfür ein Entgelt zu entrichten (so auch: LG Hamburg, a. A. O., Rn. 5 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen). Das „Zeitkontingent“ von bis zu 6 Wochen soll nach einer älteren Auffassung in der Rechtsprechung nicht indikativ sein dafür, ob von einer dauerhaften Aufnahme oder noch von einem Besuch auszugehen ist. Die Frist kommt aus dem Melderecht, wonach sich ein Bewohner binnen 6 Wochen unter der von ihm gewählten Adresse behördlich anzumelden hat.
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Nachzutragen ist:
Eine Genehmigung des Vermieters ist nicht erforderlich für die Aufnahme
- des Ehegatten des Mieters (BGH, Urteil vom 12.6.2013 - XII ZR 143/11, IMRRS 2013, 1529),
- dessen Kinder und die Stiefkinder (OLG Hamm, Beschluss vom 11.4.1997 - 30 REMiet 1/9),
- den Lebenspartner (§ 1 Absatz 1 LPartG), sowie für
- Hausangestellte und Pflegepersonen des Mieters (BGH, Urteil vom 15.5.1991 - VIII ZR 38/90, IMRRS 1991, 0004),
wohl aber für die Aufnahme
- eines Lebensgefährten in die Mietwohnung.
Auf die Erlaubnis des Vermieters besteht allerdings nach vorheriger Information und ohne Vorliegen von Unzumutbarkeitsgründen aus Sicht des Vermieters und der Mitbewohner im Haus ein Erlaubnisanspruch (BGH, Urteil vom 5. November 2003 – VIII ZR 371/02 –, BGHZ 157, 1 ff = DWW 2004, 16 - Erlaubnisanspruch gegen den Wohnungsvermieter auf Duldung der Aufnahme nahestehender Personen und auch auf Duldung einer Untervermietung - §§ 553, 540 BGB). Der Anspruch erstreckt sich auch auf die gewünschte Aufnahme der Kinder der Lebensgefährtin (AG Ludwigsburg, Urteil vom 1. Februar 2008 – 10 C 3187/07 –, juris).
Ebenso wird zum Beispiel die Aufnahme einer geflüchteten Ukrainerin aus humanitären Gründen von diesem Erlaubnisanspruch gedeckt (LG Berlin, Urteil vom 6.6.2023 - 65 S 39/23, FD-MietR 2023, 458618).
Völliges Überlassen oder Untervermietung
Aber: Das völlige Überlassen einer Wohnung, also nicht nur das teilweise Überlassen einzelner Zimmer und Einrichtungen, ist keine Untervermietung mehr und deswegen auch von dem Erlaubnisanspruch nicht gedeckt. Im Gegenteil ist das ständige und insbesondere ständig kurzzeitige Vermieten an andere Personen eine eigene gewerbliche Weitervermietung aus Sicht des Mieters, und keine reine Untervermietung. Denn es muss unterstellt werden, dass die komplette Weitergabe der Wohnung nicht aus purer Menschenfreundlichkeit geschieht, sondern dass dahinter klare wirtschaftliche Interessen und Einkünfte stehen. Dies aber muss keinesfalls geduldet werden. Die Folge: Eine auch fristlose Kündigung ist möglich (§§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 553 Abs. 1 BGB; zur Unzulässigkeit der Airbnb-Vermietung: AG München, Urteil vom 27. 5. 2020 - 473 C 20883/19, IMR 2020, 371; LG Berlin, Urteil vom 3. Juli 2018 – 67 S 20/18, DWW 2018, 302).
Für die übrigen Fälle gibt es zwar einen Erlaubnisanspruch des Mieters gegenüber dem Vermieter, die Wohnung auch zum Gebrauch an Dritte unentgeltlich oder auch entgeltlich mit zu überlassen (einschränkend LG Berlin, Urteil vom 14.12.2017 - 65 S 159/17, ZMR 2023, 288 - kein Erlaubnisanspruch bei beabsichtigten Einnahmen aus der Untervermietung in Höhe fast der doppelten zulässigen Miete).
Erlaubnis des Vermieters
Immer muss der Mieter diese Erlaubnis aber einholen, bevor er die Wohnung einen Dritten (mit) überlässt. Ausreichend dazu ist jedes höchstpersönliche Interesse des Mieters, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht (BGH, Beschluss vom 3.10.1984 - VIII ARZ2/84, NJW 1985, 130; BGH, Urteil vom 23.11.2005 - VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200; BGH, Urteil vom 31.1.2018 - VIII ZR 105/17, NJW 2018, 2397), so zum Beispiel der Wunsch zur Entlastung von Wohnkosten bei doppelter Haushaltsführung eines Pendlers: BGH, Urteil vom 23.11.2005 - VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200; der mehrjährige berufsbedingte Auslandsaufenthalt: BGH, Urteil vom 11.6.2014 - VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717; die Aufnahme eines Dritten zur Bildung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft: BGH, Urteil vom 5.11.2003 - VIII ZR 371/02, NJW 2004, 56). Rein abstrakte Formulierungen wie die bloße Äußerung des Wunsches auf Überlassung reichen nicht (so ausdrücklich: LG Berlin, a. a. O.).
Der Mieter muss seine konkreten Pläne genau darlegen, also den Anlass der gewünschten Untervermietung, Angaben zur Person, die aufgenommen werden soll, und das beabsichtigte Nutzungskonzept innerhalb der Mietwohnung (LG Berlin, Beschluss vom 22.6.2023 - 64 S 280/22, FD-MietR 2023, 458693). Dazu gehört auch die Beschreibung der tatsächlichen Grundlagen seines Wunsches und seiner Motivation. Anzugeben ist auch, ob die teilweise Wohnungsüberlassung unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt. Dabei ist die Höhe des beabsichtigten oder vereinbarten Untermietzinses anzugeben (LG Berlin, Urteil vom 15.12.2017 - 65 S 159/17, ZMR 2023, 288 Denn nur dann kann der Vermieter prüfen, ob dem Mieter ein berechtigtes Interesse zur Seite steht und ob dies erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist (Blank/Börstinghaus/Siegmund, Kommentar zum Mietrecht, 7. Aufl. 2023, § 553 BGB Rn. 21, 22).
Dagegen soll dem Vermieter kein Anspruch auf eine persönliche Vorstellung der aufzunehmenden Person bei ihm zustehen (LG Berlin, Beschluss vom 30.11.2020 - 64 T 49/20, IMR 2021, 140). Dies seien „unzulässige“ Auflagen, die im Gesetz keine Stütze fänden, so die Berliner Landrichter. Dies liefe auf eine Ablehnung der Untervermietungsbefugnis hinaus. Mehr als den Namen sowie zur eindeutigen Identifikation auch Geburtsdatum und Geburtsort sowie Angaben über die beruflichen und sonstigen Tätigkeiten des in Aussicht genommenen Untermieters müsse der Mieter nicht mitteilen.
Konsequenz: Kündigung
Macht der Mieter vor der Aufnahme weiterer Personen im Rahmen seines Erlaubnisbegehrens die geschuldeten Angaben nicht, verletzt er den Mietvertrag, selbst wenn ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis bestehen würde (so ausdrücklich Flatow, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 554 BGB Rn. 25 mit weiteren Nachweisen; BGH, Urteil vom 2.2.2011 - VIII ZR 74/10, NZM 2011, S. 275; BayObLG, Rechtsentscheid von 26.4.1995 - RE-Miet3/94, ZMR 1995, 301). Wer sich aber vertragswidrig verhält, kann deswegen abgemahnt und im Folgenden auch fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt werden, wenn er sich nach der Abmahnung weiterhin nicht rechtskonform verhält (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 15.3.2023 - 17 C 281/22, IMR 2023, 225.
Vereinzelt wird verlangt, dass der Vermieter vor der Kündigung erfolglos Unterlassung verlangt und einen Unterlassungstitel erstritten hat (§ 541 BGB; so LG Berlin, Urteil vom 11.10.2022 - 67 S 111/22, IMR 2023, 53 = BeckRS 2022, 28700 = IMRRS 2022, 1425).
Auch der BGH schränkt eine Kündigungsmöglichkeit im Ergebnis mit der Bemerkung ein, eine Kündigung könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn der kündigende Vermieter gleichzeitig zur Erteilung der Untervermietungserlaubnis verpflichtet sei (anderer Ansicht LG Berlin, Urteil vom 15.11.2018 - 65 S 85/18, ZMR 2023, 285 - vertragswidriges Verhalten auch dann, wenn der Mieter Anspruch auf Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung hat).
Und genau hier wird es interessant:
Denn das LG Berlin hat entschieden: dem Vermieter sei es regelmäßig nicht zuzumuten, eine Untervermietungserlaubnis zu erteilen, wenn er an der Untermiete nicht wirtschaftlich beteiligt sei (LG Berlin, Beschluss vom 15.7.2021 - 64 S 45/21, FD-MietR 2022, 445522; ebenso bereits: LG Berlin, Beschluss vom 9.9.2019 - 64 T 65/19, BeckRS 2019, 33034; anders wohl: AG Karlsruhe, Urteil vom 6.12.2022 - 6 C 615/22, IMR 2023, 183 - kein Anspruch des Vermieters auf Untermietzins im Falle einer Wohnungsvermietung über Airbnb). Anders formuliert:
Beantragt der Mieter die Erlaubnis zur Untervermietung, ohne dem Vermieter einen dafür gesonderten Untermietzuschlag anzubieten, muss die Erlaubnis nicht erteilt werden. Vermietet der Hauptmieter eigenmächtig und bietet in der nachfolgenden Auseinandersetzung dem Vermieter keinen Untermietzuschlag an, ist dem Vermieter ebenfalls die Erteilung einer Erlaubnis unzumutbar. In beiden Fällen kann dem Hauptmieter auch gekündigt werden. Die von Untermieter benutzten Wohnungsteile sind dann ebenfalls nach § 546 Abs. 2 BGB an den Vermieter herauszugeben.
Hinweis zum Schluss:
Die Voraussetzungen einer zu gewährenden Untervermietungserlaubnis sind vom Vermieter sorgfältig zu prüfen. Denn wenn er die Erlaubnis unberechtigt verweigert, kann er sich in Höhe des Untermietzinses schadensersatzpflichtig machen, der dem Mieter deswegen entgangen ist (LG Berlin, Urteil vom 8.12.2021 - 14 S 8944/21, IMR 2023,8; LG Berlin, Beschluss vom 10.1.2018 - 63 S 202/17, ZMR 2023, 287).
Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen