Haus- und Grundbesitzerverein
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Verwertungskündigung

Bei Verkauf der vermieteten Immobilie?

Ist die Verwertungskündigung gerechtfertigt, wenn ich sonst die vermietete Wohnung nicht verkaufen kann?“ So oder ähnlich lauten viele Anfragen frustrierter Vermieter, die sich zum Verkauf der Immobilie entschlossen haben, aber „vermietet“ nicht oder nur mit großen Abschlägen veräußern können.

Aktueller Bezug - typische Fälle:

  • Ein potentieller Erwerber möchte selbst einziehen, was natürlich im Falle der Vermietung zunächst einmal nicht möglich ist. Nun hat es sich herumgesprochen, dass die Kündigung eines Wohnungsmietverhältnisses aufgrund der hohen sozialen Schutzkomponente im Mietrecht „nicht so ohne“ ist und mal eben so neben her erledigt werden kann. Entweder bislang interessierte Käufer springen dann ab oder sie preisen ihr rechtliches Kündigungsrisiko knallhart in den Kaufpreis ein.

Oder

  • Der Eigentümer und Vermieter sagt sich vor dem Hintergrund des „Heizungsgesetzes“ und der jetzt auch erlassenen noch viel weiter greifenden Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie: Das soll mal jemand anders umsetzen; in meinem Alter oder in meiner Lebenssituation mache ich von dem Geld lieber eine Weltreise, statt es nun auch noch ins Haus zu stecken.

Die Ausgangslage

Selbst wegen Eigenbedarf kündigen kann der veräußerungswillige Vermieter nicht. Denn gerade die Umsetzung seiner Veräußerungsabsicht zeigt, dass er keinen Eigenbedarf hat. Vor allem will er nicht selbst in die Wohnung einziehen. Liegen keine verhaltensbedingten Kündigungsgründe vor, so gilt zunächst einmal der Satz, dass der Mieter „mitverkauft“ wird. Denn: „Kauf bricht nicht Miete“. So steht es im Gesetz (§ 566 BGB). Der Bestand des Wohnungsmietverhältnisses in der Verkaufssituation wird also ausdrücklich geschützt.

Verwertungskündigung als Ausweg?

Gibt es dann noch einen Ausweg, nämlich die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der vermieteten Immobilie? Dazu ein Blick ins Gesetz (§ 573 Absatz 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB):

(1) der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn …

... (3) der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

Folge

Eine Verwertungskündigung zum Zwecke der Mieterhöhung innerhalb eines anderweitigen Mietverhältnisses ist ausgeschlossen. Eine Veräußerung im Zusammenhang mit einer geplanten oder nach Überlassung der Mietwohnung erfolgten Begründung von Wohnungseigentum kommt ebenfalls als Kündigungsgrund nicht infrage.

Umkehrschluss

Ein Verkauf unabhängig von der Begründung von Wohnungseigentum, der wegen der Vermietungslage nicht oder nur mit deutlichen Kaufpreisabschlägen realisierbar ist, kann ein Kündigungsgrund sein.

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Beispiel

Vermieterin V vollendet das 81. Lebensjahr. Sie selbst wohnt mit ihrem Gatten G in einem Einfamilienhaus, besitzt aber unmittelbar angrenzend noch ein Haus mit zwei vermieteten Wohnungen. Beide Eheleute wollen es auch altersbedingt etwas ruhiger angehen lassen. Verwaltungs- und Instandhaltungsaufwand der Immobilien sollen reduziert werden. Außerdem möchte man vom Verkaufserlös auch den Lebensabend bestreiten. Deshalb möchte V das vermietete Zweifamilienhaus verkaufen. Seit einem Jahr gelingt ihr das aber nicht. Weil eine Mieterin nicht ausziehen will, findet sich kein Käufer. Kann sie der Mieterin aus wirtschaftlichen Gründen kündigen?

Um bei Verkaufsabsichten wegen Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Immobilien bei aufrecht erhaltenem Mietverhältnis kündigen zu können, muss der Vermieter schon im Kündigungsschreiben (§ 573 Abs. 3 Satz 1 BGB) vortragen (dazu auch BeckOK MietR Schach/Schultz/Schüller - Stand 1.5.2024 -, § 573 BGB Rn. 105)

  • dass eine anderweitige Verwertung der Wohnung (Verkauf im leer stehenden Zustand, nicht anderweitige Vermietung) konkret und aktuell beabsichtigt ist,
  • dass unter genauer Angabe erfolgter Verkaufsbemühungen in hinreichendem Umfang (LG Darmstadt, Urteil vom 23. Mai 1986 – 17 S 412/85, WuM 1987, 320; LG Freiburg, Urteil vom 15. Juli 1991 – 3 S 90/91, WuM 1991, 592; anderer Ansicht Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl. 2021 § 573 BGB Rn. 297) ein Verkauf im vermieteten Zustand nicht oder nur zu einem unangemessenen Kaufpreis mit erheblichem Preisabschlag möglich ist (Erforderlichkeit der Kündigung; BGH, Urteil vom 8.6.2011 - VIII ZR 226/09, NZM 2011, 773 Rn. 66 = BeckRS 2011, 17894) AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 16.5.2018 - 531 C 87/17, BeckRS 2018, 47438); die pauschale Bestätigung eines Maklers, die Immobilie sei bei Fortbestand des Mietverhältnisses unveräußerlich oder nur mit erheblichem Abschlag verkäuflich, reicht nicht (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 16.5.2018 - 531 C 87/17, BeckRS 2018, 47438; AG Coesfeld, Urteil vom 11.5.2011 - 6 C 165/10, ZMR 2012, 199),
  • welche Motive der Verkaufsabsicht zugrunde liegen (Angemessenheit der Verwertung), und
  • konkret welche erheblichen Nachteile ihm bei unterbleibendem Verkauf und bei fortgesetztem Mietverhältnis entstehen würden (BVerfG, Beschluss vom 4.6.1998 - 1 BvR 74/98, NZM 1998, 619).

Insbesondere muss vorgetragen und begründet werden, dass die geplante Form der Verwertung (Verkauf) wirtschaftlich angemessen ist und warum die aufrecht erhaltene Vermietung der Wohnung einen Verkauf hindert. Dieser Vortrag muss durch eine nachvollziehbare und nachprüfbare Berechnung schon im Kündigungsschreiben gestützt werden. (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 16.5.2018 - 531 C 87/17, BeckRS 2018, 47438; ; LG Hamburg, Beschluss vom 18. November 2008 – 333 S 31/08, ZMR 2009, 366) Aus ihr muss hervorgehen, dass die Immobilie im vermieteten Zustand unrentabel und nicht oder nur zu einem erheblichen Preisabschlag verkauft werden könnte (BGH, Urteil vom 8.6.2011 - VIII ZR 226/09, NZM 2011, 773 Rn. 66 = BeckRS 2011, 17894).

Nur pauschale kalkulatorische Behauptungen reichen nicht (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 16.5.2018 - 531 C 87/17, BeckRS 2018, 47438, Rn. 91; Schach, Anm. zu BGH, Urteil vom 27.9.2017 - VIII ZR 243/16, in: MietRB 2018, 2, 3). Ebenso wenig genügt nur der Hinweis auf eine Kaufpreisdifferenz. Das Kündigungsschreiben muss auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen des Vermieters am Verkauf im unvermieteten Zustand und des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses enthalten (BVerfG, Beschluss vom 12.11.2003 - 1 BvR 1424/02, NZM 2004, 134; LG Berlin II, Urteil vom 11.3.2024 - 67 S 289/23, BeckRS 2024, 7346 = IMR 2024,237).

Das Kündigungschreiben

Einzelne Stimmen in Rechtsprechung und Fachliteratur verfahren mit den Anforderungen an die Kündigungsgründe etwas „nachsichtiger“; So sei es in vielen Fällen kaum möglich, alle Kündigungsvoraussetzungen bereits im Kündigungsschreiben umfassend darzulegen. Deshalb sei es bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen sachgerecht, wenn an den Inhalt der Begründung der Kündigungserklärung etwas geringere Anforderungen gestellt würden, um so einem Vermieter überhaupt den Zugang zu gerichtlichen Sachprüfungen zu ermöglichen (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 12.5.2023 - 533 C 182/22, WuM 2024, 132,133; ebenso Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 573 BGB Rn. 262). So hat es des AG Hamburg-Blankenese (a. a. O.) Für das Tatbestandsmerkmal „erheblicher Nachteil“ toleriert, dass dies auch aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze aus einer Kündigungserklärung abgeleitet werden könne. Es genüge, wenn sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt folgerichtig ergibt, dass der Vermieter bei unterlassener Realisierung der beabsichtigten Verwertung (Umbau des Dachgeschosses mit 2 Wohnungen in ein Vollgeschoss mit 6 neuen Wohnungen) einen Nachteil durch nicht erzielbare zusätzliche Mieteinnahmen erleiden würde. Ließe sich dieser Schluss ziehen, so bedürfe es keiner weiteren konkreten Darlegung erheblicher Nachteile im Falle einer Verhinderung der beabsichtigten Verwertung in der Kündigungserklärung.

Insgesamt muss aber immer aus der Lektüre des Kündigungsschreibens klar werden, dass der geplante Verkauf aus vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen erfolgt; zwingend erforderlich muss der Verkauf nicht sein. Andererseits reicht der bloße Wunsch eines unvermieteten Verkaufs nie (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 16.5.2018 - 531 C 87/17, BeckRS 2018, 47438; LG Düsseldorf, Urteil vom 13.2.1987 - 21 S 482/86, WuM 1987, 321 Rn. 65).

Der Abschlag

Soweit so gut; zu lösen bleibt aber die Frage, wie hoch der Abschlag bei Verkauf bei Vermietung sein muss, um von einem erheblichen Nachteil sprechen zu können. Dazu wird einer Erheblichkeitsgrenze von 15 % bis 20 % vertreten (AG Dachau, Urteil vom 10.5.2024 - 4 C 240/22, BeckRS 2024, 10181 = IMR 2024, 283; ebenso Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, § 573 BGB Rn. 167; BeckOGK/Geib - Stand 1.4.2024 - § 573 BGB Rn. 19). Die Rechtsprechung ist zur Quote allerdings nicht einheitlich (vgl. zu den Mindererlösen: LG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 1987 – 5 S 14/87, ZMR 1987, 469 - 6 %; LG Berlin, LG Berlin, Urteil vom 22. Dezember 1989 – 63 S 170/89, juris - 15 %; LG Hamburg, Urteil vom 2. Oktober 1990 – 316 S 99/90, WuM 1991,187 - 15-20 %; LG Stuttgart, Urteil vom 21. Februar 1990 – 13 S 426/89, WuM 1991, 201 - 20 %; LG Mannheim, Urteil vom 26. April 1995 – 4 S 272/94, ZMR 1995, 315 - ca. 30 % bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Vermieters).

An diesen Anforderungen ist zu erkennen, dass in dem Beispielfall erheblich mehr vonnöten ist, als der bloße Wunsch, sich altersbedingt kleiner zu setzen und von dem Veräußerungserlös den Lebensabend bestreiten zu können.

Nachtrag: Was mit einer Verwertungskündigung nicht geht

Die Möglichkeit einer Verwertungskündigung erledigt sich immer dann, wenn

  • ein Verkauf im vermieteten Zustand möglich wird,
  • ein Kaufvertrag bereits abgeschlossen worden ist (AG Köln, Urteil vom 6.1.2022 - 205 C 215/21, IMR 2022, 353,
  • die erzielten und erzielbaren Mieten zu niedrig sind, weil der Vermieter jahrelang die Mieten nicht erhöht und an das allgemeine Preisniveau (zum Beispiel Mietspiegel) angepasst hat (LG Osnabrück, Urteil vom 29.1.2020 - 1 S 117/19, IMR 2020, 282), und wenn
  • die geplante anderweitige wirtschaftliche Verwertung des vermieteten Wohnraums eine Zweckentfremdung darstellen würde und eine Zweckentfremdungsgenehmigung dafür noch nicht vorliegt (AG Stuttgart, Urteil vom 12. November 2021 – 34 C 1880/21, juris).


Ebenso darf keine „Vorratskündigung“ erklärt werden; die Verkaufspläne müssen aktuell und ernsthaft verfolgt werden (BeckOK MietR/Siegmund, § 573 BGB Rn. 69, 70; BeckOK MietR Schach/Schultz/Schüller - Stand 1.5.2024 -, § 573 BGB Rn. 70).

Die bloße Möglichkeit eines Mehrerlöses im Falle eines unvermieteten Verkaufs liefert keinen Kündigungsgrund (Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, § 573 BGB Rn. 78). Erst recht gibt es keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 17.8.2023 - 5 und 20 C 80/23, Beck RS 2023, 29048 = IMR 2024, 245; Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, § 573 BGB Rn. 82 mit weiteren Nachweisen). Das gilt erst recht, wenn das Mietobjekt in vermieteten Zustand im Zuge einer gewerblichen Immobilienentwicklung oder bei Spekulation- oder Risikogeschäften erworben wurde.

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen